Von Arne Grohmann

Nach 25 Jahren Pause zur WM
Nachholbedarf bei Wasserspringerin Pia Rybicki

Weil sie zu früh den Absprung machte, springt sie wieder: Pia Rybicki aus Warberg wollte sich als Kind nicht einer DDR-Kaderschmiede unterwerfen und hörte einfach auf. Als 36-Jährige startet sie nun bei der Masters-Weltmeisterschaft im Wasserspringen in Christchurch in Neuseeland.

"Aus privaten Gründen wollte ich damals nicht weitermachen", berichtet Rybicki, die in Leipzig auf Medaillenkurs gebracht werden sollte. DDR-Meisterin wurde sie noch, dann war Schluss. Das nahmen ihr die Funktionäre übel. "Ich durfte nicht einmal abtrainieren."
Das bedeutete, dass der Trainingsumfang von heute auf morgen von hundert auf null reduziert wurde. Um gesundheitliche Schäden am Belastungen gewöhnten Körper zu vermeiden, müssen Leistungssportler eigentlich über Monate das Training behutsam zurückfahren.
Gut 25 Jahre später will es Rybicki noch einmal wissen. Die Realschullehrerin der Lorenz-von-Mosheim-Schule in Helmstedt sah im März 2000 das Plakat einer Lehrerfortbildung mit dem Thema Wasserspringen. "Da hatte ich wieder Blut geleckt", erzählt die sympathische Sportlerin.

Mit WM-Teilnahme gelockt

Rybicki meldete sich an und geriet in die Fänge von Lehrgangsleiterin Gitta Bruns, die sie mit der Aussicht auf eine WM-Teilnahme in Australien (ursprünglich in Sydney geplant) zu regelmäßigem Training überredete und bis heute antreibt.
"Los spring!", ruft Bruns beim Training im Julius-Bad in Helmstedt. "Nee, noch nicht", antwortet Rybicki, die auf dem Fünf-Meter-Turm steht. Sie wartet, dass die Trainerin Wasser mit dem Fuß auf die Oberfläche spritzt, damit diese besser zu sehen ist. So verschätzen sich die Springer nicht mit der Höhe, wenn sie vom Turm direkt durch das Wasser auf den Beckenboden schauen.

Angst vor dem Aufprall

Nichts fürchten die Springer mehr als den Bauchklatscher oder andere misslungene Eintauchphasen. "Da bleibt die Luft weg", beschreibt Rybicki den schmerzhaften Aufprall.
Es gibt verschiedene Sprungarten - vorwärts abgesprungen und rückwärts gedreht oder irgendwie umgekehrt (Delphin, Auerbach). Dazu kommen Salti und Schrauben. Absprung, Flug- und Eintauchphase müssen wie im Schlaf ablaufen.
Im Sprung sehen die Springer wenig. Zu Beginn des Trainings signalisiert Bruns durch ein lautes "Hepp", wann Rybicki in der Luft den Sprung "aufmachen" muss. Sie weiß dann, wann die Drehungen durch das Auseinandernehmen der Arme abgestoppt und die möglichst gerade Eintauchphase vorbereitet werden muss. Gelingt der Sprung, darf es dabei nur wenig spritzen.
Bei der WM muss Rybicki jeweils acht bis neun Sprünge vom Ein- und Drei-Meter-Federbrett und vom Fünf-Meter-Turm zeigen. Bei den Masters dürfen alle Sportler ab 25 Jahren starten. Bei den Schwimmern war zuletzt sogar Rekordolympiasieger Marc Spitz dabei.
Dreimal pro Woche wird trainiert. Ehemann, die neunjährige Tochter und das Pferd lassen der Mutter neben der Vollzeitarbeit an der Schule den nötigen Freiraum. Aus Kostengründen reist Rybicki allein nach Neuseeland. Dabei hat die Springerin ein kaum für möglich gehaltenes Problem: "Mir wird beim Fliegen immer schlecht."

Pia Rybicki
Einfach fallen lassen. Trainerin Gitta Bruns (am Beckenrand) überwacht Pia Rybicki bei einer Fallübung - rückwärts und kopfüber vom Dreier.   Foto: Hähnsen